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Das Christentum und die Macht

Verfolgt man den Weg des Christentums von einer kleinen Minderheit zu einer der einflussreichsten Organisationen der Weltgeschichte, kann man es nur als eine außerordentliche Erfolgsstory bezeichnen. Jedoch war dieser Weg im 15. Jahrhundert mit der Emanzipation der norditalienischen Stadtstaaten und im 16. mit der Reformation am Absteigen und im aufgeklärten 18. Jahrhundert schmälerte sich die Machtvollkommenheit der Kirche weiter durch die sich aus ihrer Vormundschaft befreienden absolutistischen Nationalstaaten.

Noch im römischen Reich hatte sich die christliche Religion zur allein  gültigen Staatsreligion emporgeschwungen und bis in die Zeit der Kreuzzüge hinein war die Kirche in der Lage, Kriege zu initiieren, Herrscher zu küren und zu vernichten, Mönchsorden in nicht christliche Gebiete zu verpflanzen und diese militärisch abzusichern zu lassen. Adlige mussten ihre Kinder in das Kloster schicken, deren Erbe an die Kirche fiel und Kirchenfürsten übernahmen die Spitzen der weltlichen Macht. Kirchen kassierten, aber zahlten keine Steuern und bestimmten, was zu denken sei: ihre Schulen und ihre Kanzeln sorgten für flächendeckende 'Lufthoheit'.

Die Adligen, die eigentlich im Besitz von Grund und Boden und an den Menschen  (Leibeigenschaft) waren, konnten sich gegen diese international agierende Organisation nur schwer wehren. Zwar versuchten sie hin und wieder eigene Machtzentren aufzubauen (oft in Form von Freibriefen für jüdischen Gemeinden, die dann ihre Freiheit dem adligen Herrscher verdankten und nicht der Kirche gehorchten), jedoch ohne nennenswerten Erfolg.

Erst als sich in den Städten das Handel treibende Bürgertum als Bündnispartner anbot, gelang es dem Adel, dem Papst energischer entgegenzutreten. Mit der Reformation (Müntzer, Hus, Luther, Calvin) bot sich die Gelegenheit, den ungeliebten Dämon abzuwerfen und sich freizukämpfen. Ganze Staaten wandten sich von der Catholica ab, oder - wie in Venedig (dem 1606 Henry IV gegen das päpstliche Inderdikt half) - verbannten die katholischen Einflüsterer in die zweite Reihe.

Auch in Frankreich war der Protestantismus/Calvinismus für Adlige, vor allem  in Südfrankreich, attraktiv und sie versuchten, mit Hilfe der neuen Religion, ihre Gebiete von der katholischen Zentralmacht abzugrenzen. Diese, Hand in Hand  mit der Kirche, kämpfte 36 Jahre lang  gegen die hugenottischen Unabhängigkeitsbestrebungen und versuchte am 18.8.1572 in einem blutigen Massaker, in der sogenannten Bartholomäusnacht  die Protestanten ihrer Führung zu berauben.

1598 kam es mit dem Edikt von Nantes zu einer Beruhigung. Heinrich IV,  selbst Protestant, aber zum Katholizismus übergetreten, verkörpert die religiöse Toleranz, die dann auch fast neunzig Jahre, bis 1685, anhielt.  Die katholische Kirche war zu jeder Schandtat bereit, um ihre alte Größe zurückzuerobern, organisierte die Gegenreformation, die Inquisition, versuchte die Machthaber wieder 'in den Griff' zu bekommen. Sie schaffte es bis zu dem Punkt, den Voltaire als neue Regel bezeichnet: "Dass man Gott gehorcht, wenn man die Gesetze des Staates befolgt". Das heißt, sie besaß zwar im absolutistischen Staat eine den Herrscher legitimierende, rechtfertigende Funktion, war jedoch nicht mehr die Befehlszentrale der Macht selbst.
Nichts kennzeichnet diese Entwicklung besser, als die Aufhebung des Jesuitenordens 1773, einem 1540 gegründeten Orden der Gegenreformation.

Die Aufklärung sah darin nur einen Teilsieg, ihr ging es darum, den Staat und seine Institutionen vollständig vom Einfluss der Kirche zu befreien. Den nächsten Schritt, auch die alltäglichen menschlichen Dinge ihrem Einfluss zu entziehen, deutete sich in den Schriften von Descartes, Hélvetius, d'Holbach, La Mettrie   und vielen anderen bereits an. Voltaire war ihn nicht bereit zu gehen, die Beispiele der wegen ihrer Religionskritik oder nur wegen religiösem Ungehorsam Ermordeten, Inhaftierten, Verfolgten zu seiner Zeit vor Augen. Sein Ziel war die vollständige Trennung von Kirche und Staat und darüber hinaus, die Vernichtung der Niederträchtigen (Kirche) selbst. Zwei Ziele, die noch immer auf ihre Umsetzung warten, was seine Schriften bis heute zur geistigen Quelle vieler freiheitsliebenden Menschen macht.

Dem letzten Absatz kann ich nicht ganz zustimmen- er trifft nur für die Aufklärung in Frankreich voll zu (s. als Ergebnis den Laizismus), nicht aber in Deutschland (preuss.-protestant. Staatskirchentum und auch heute noch die nicht eingelöste Forderung der insoweit fortgeltenden Weimarer Reichsverfassung nach Abgeltung der Kirchenfinanzierung) und England (Anglikanische Staatskirche)- dort ist die Aufklärung anders abgelaufen, mit anderen, z T durch die Reformation abgedrängten, milderen Richtungen. Daher ist Voltaires Denken in Richtung einer strikteren Trennung z B in Deutschland noch als notwendiger anzusehen.

Ja, so ist es gemeint: dass in Deutschland noch nicht einmal der erste Schritt, die Trennung von Kirche und Staat (Kirchensteuer, Besoldung kirchl. Bediensteter), realisiert ist, macht Voltaire hierzulande zum Bezugspunkt für Alle, die dieses Ziel teilen - und zum Hasssymbol für viele religiöse Finsterlinge.