Zur Einführung in das Thema
Zitat von Rainer Neuhaus am August 29, 2021, 6:00 pm UhrEs gibt einen theoretischen Aspekt der Religion (im Wesentlichen die Frage nach der Existenz Gottes und alles, was daraus folgt) und einen praktischen (die Frage, welche Bedeutung die Religion für unser Handeln hat und daraus abgeleitet: haben sollte). Hier geht es um den zweiten.
Voltaire überlegt zunächst, wie die Religion entstanden sein könnte. War es so, dass man in den Anfängen aus Mangel an Wissen Gott als einfache Erklärung z.B. für Naturphänomene wie den Donner (er)fand oder ist die Gottesvorstellung ursprünglich aus Angst entstanden? Voltaire: "Sie (die Menschen der Urvölker) untersuchten nichts, sie fühlten" (343) und "Nur das, was man fürchtet, betet man an" (342) - er gehört somit offensichtlich der zweiten Gruppe an: das religiöse Bewusstsein entstand aus Angst.
Er ist damit sehr nahe an den Erkenntnissen der Psychoanalyse, die die Gottesvorstellung und -furcht aus der Konfrontation des Kindes mit der väterlichen Gewalt herleitet. Es ist insofern eine vergebliche Hoffnung, dass die Religion durch ein erweitertes Wissen allmählich verschwindet, denn ihre psychologische Widerstandskraft zieht sie aus tiefsitzenden Angst- und Schuldgefühlen. Einen analogen Gedanken formuliert Voltaire auf S. 342/343. Dass, man, um die Angst zu besiegen, dem Anführer, Meister, Herrn kleine Geschenke machte...
Trotzdem scheint es so zu sein, dass je mehr Wissen sich in den Köpfen angesammelt hatte, die Religion in der Gesellschaft zurückgedrängt wurde. Ein Gewitter war auch nicht mehr in der Lage, den Menschen Angst einzujagen, niemand warf sich deshalb mehr auf den Boden und betete. Allmählich verlor sie sogar ihre Bedeutung zur Regulierung der zwischenmenschlichen Beziehungen. Es wurden Gesetze geschaffen, die in einem Staat für ein geordnetes Zusammenleben sorgten. Ihnen folgte man, weil sie von einer weltlichen Gewalt sanktioniert wurden, und nicht, weil sie von einem imaginären Gott und einer Kirche befohlen wurden.
"Die am wenigsten schlechte Religion" wäre Voltaire zufolge eine Religion der Vernunft, die sich nicht der Wunder und dem Wunderglauben bedient, der Behauptung vom Leben nach dem Tode, dem Glauben an die Seele, dem Madigmachen der Alten (Religionen der Antiken, oder von Julian dem Apostaten u.v.a). Eine, die keine Hassprediger und Fanatiker erzeugt, indem sie etwas, dessen man sich keineswegs sicher sein kann, ohnehin meist auf Lüge aufgebaut ist, als Wahrheit ausgibt und ihren Opfern als unumstößliche Wahrheit eintrichtert, mehr noch: ihnen Höllenstrafen bei abweichendem Verhalten androht und solches durch ein weltliches Kirchenregime mit Angst und Terror ‚abrundet’. Die Religion also wäre die am wenigsten schlechteste, die Moral, Gesetz und Ordnung als gottgewollt vermittelt, jedoch ohne Dogmen und ohne überhaupt den Menschen vorzuschreiben, welche inhaltliche Ausprägung sie ihnen geben sollen. Das aber wäre eine Religion ohne Angsteinflössen und ohne Schuldinjektion.
Es gibt einen theoretischen Aspekt der Religion (im Wesentlichen die Frage nach der Existenz Gottes und alles, was daraus folgt) und einen praktischen (die Frage, welche Bedeutung die Religion für unser Handeln hat und daraus abgeleitet: haben sollte). Hier geht es um den zweiten.
Voltaire überlegt zunächst, wie die Religion entstanden sein könnte. War es so, dass man in den Anfängen aus Mangel an Wissen Gott als einfache Erklärung z.B. für Naturphänomene wie den Donner (er)fand oder ist die Gottesvorstellung ursprünglich aus Angst entstanden? Voltaire: "Sie (die Menschen der Urvölker) untersuchten nichts, sie fühlten" (343) und "Nur das, was man fürchtet, betet man an" (342) - er gehört somit offensichtlich der zweiten Gruppe an: das religiöse Bewusstsein entstand aus Angst.
Er ist damit sehr nahe an den Erkenntnissen der Psychoanalyse, die die Gottesvorstellung und -furcht aus der Konfrontation des Kindes mit der väterlichen Gewalt herleitet. Es ist insofern eine vergebliche Hoffnung, dass die Religion durch ein erweitertes Wissen allmählich verschwindet, denn ihre psychologische Widerstandskraft zieht sie aus tiefsitzenden Angst- und Schuldgefühlen. Einen analogen Gedanken formuliert Voltaire auf S. 342/343. Dass, man, um die Angst zu besiegen, dem Anführer, Meister, Herrn kleine Geschenke machte...
Trotzdem scheint es so zu sein, dass je mehr Wissen sich in den Köpfen angesammelt hatte, die Religion in der Gesellschaft zurückgedrängt wurde. Ein Gewitter war auch nicht mehr in der Lage, den Menschen Angst einzujagen, niemand warf sich deshalb mehr auf den Boden und betete. Allmählich verlor sie sogar ihre Bedeutung zur Regulierung der zwischenmenschlichen Beziehungen. Es wurden Gesetze geschaffen, die in einem Staat für ein geordnetes Zusammenleben sorgten. Ihnen folgte man, weil sie von einer weltlichen Gewalt sanktioniert wurden, und nicht, weil sie von einem imaginären Gott und einer Kirche befohlen wurden.
"Die am wenigsten schlechte Religion" wäre Voltaire zufolge eine Religion der Vernunft, die sich nicht der Wunder und dem Wunderglauben bedient, der Behauptung vom Leben nach dem Tode, dem Glauben an die Seele, dem Madigmachen der Alten (Religionen der Antiken, oder von Julian dem Apostaten u.v.a). Eine, die keine Hassprediger und Fanatiker erzeugt, indem sie etwas, dessen man sich keineswegs sicher sein kann, ohnehin meist auf Lüge aufgebaut ist, als Wahrheit ausgibt und ihren Opfern als unumstößliche Wahrheit eintrichtert, mehr noch: ihnen Höllenstrafen bei abweichendem Verhalten androht und solches durch ein weltliches Kirchenregime mit Angst und Terror ‚abrundet’. Die Religion also wäre die am wenigsten schlechteste, die Moral, Gesetz und Ordnung als gottgewollt vermittelt, jedoch ohne Dogmen und ohne überhaupt den Menschen vorzuschreiben, welche inhaltliche Ausprägung sie ihnen geben sollen. Das aber wäre eine Religion ohne Angsteinflössen und ohne Schuldinjektion.