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Luxus im 18. Jahrhundert

Mandeville verteidigt in seiner berühmten ‚Bienenfabel’ (London 1723) nicht nur den Luxus – er versteht darunter alles, was über das Lebensnotwendige hinausgeht – und bewertet ihn als für die Gesellschaft positiv, denn im Überfluss und nicht im Mangel sieht er den Anstoß für die Entwicklung der Menschheitsgeschichte. Er verteidigt über den Luxus hinaus sogar die menschlichen ‚Laster‘ überhaupt gegen eine puritanische, genussfeindliche Moral. Es war Voltaires Lebensgefährtin Emilie du Châtelet, die die Bienenfabel erstmalig ins Französische übersetzte.

Überhaupt verteidigten die französischen Aufklärer in ihrer Glanzzeit den Luxus, jedoch nicht wie Mandeville, der einer bigotten Moral einfach ihr Spiegelbild vorhielt, sondern indem sie zu zeigen versuchten, dass Luxus für die Gesellschaft überhaupt nicht schädlich, sondern sogar besonders nützlich sei.

Natürlich hatte die Monarchie keine Freude an solchen Debatten, die mit dem Luxus begannen, ihn verteidigten, aber sich, indem sie ihn verteidigten, über die Ungleichheit in der Gesellschaft Gedanken machten und schließlich den Luxus gar möglichst Vielen zugänglich machen wollten.

Deshalb fühlte sich Voltaire bedroht, als 1736 nach der Veröffentlichung seines Gedichts 'Le Mondain', in dem er den Luxus verteidigt, eine Welle der Entrüstung über ihn hereinbrach - er floh zwei Monate nach Holland.

Über die Ungleichheit zwischen den Anschauungen von Voltaire und Rousseau zu Luxus (und Gesellschaft und Kunst etc) - eine Spekulation  auf  der Basis von Montesquieus "Esprit des lois", Buch VII ,  zum Luxus-

Charles-Louis de Secondat, Baron de la Brede et de Montesquieu hat sein Werk "Vom Geist der Gesetze"auf dem Gedanken aufgebaut, daß die Gesetze in Bezug stehen zur Verfassung jeder Regierung, zu den Sitten, dem Klima, der Religion, dem Handel etc. Mit dem Luxus befaßt sich M. im VII.Buch des 1748 erschienen Werkes.

Für M. steht der Luxus  stets in Proportion zu der Ungleichheit der Vermögen. Wenn in einem Staat die Reichtümer gleichmäßig aufgeteilt wären , gebe es dort keinen Luxus, weil dieser ausschließlich gegründet  sei auf die Bequemlichkeiten, die man sich zueigne durch die Arbeit anderer. Um die Reichtümer gleich aufzuteilen, ist es notwendig, daß das Gesetz jedem nicht mehr als das physisch Notwendige zugesteht. Geht man darüber hinaus, geben die einen aus, die anderen erwerben und die Ungleichheit etabliert sich. M. unterstellt, daß, eine bestimmte Summe vorausgesetzt, der Luxus desjenigen, der nur das Notwendige hat, bei 0 liegt, bei dem, der das Doppelte hat, bei 1 liegt, bei dem, der das Doppelte des Guthabens des letzteren hat, liege der Luxus  bei 3 . Der Luxus wachse demnach in der Progression 0,1,3,7,15,31,65,127 usw. Es folgt ein Vergleich mit Platons Republik und sodann anhand des Beispiels Polens der Hinweis darauf, daß der Luxus nicht nur nach Maßgabe der Ungleichheit in der Reichtumsverteilung innerhalb eines Landes, sondern auch der Länder untereinander unterschiedlich ist. Außerdem stehe  der Luxus in Proportion zu der Größe (Einwohnerzahl) der Städte, vor allem der Hauptstadt. Je mehr Menschen beieinander leben, desto mehr Unnützes machen sie und scheinen der Lust Nahrung zu geben, sich durch Kleinigkeiten hervorzuheben. Ist ihre Zahl so groß, daß der eine den anderen nicht mehr kennt, verdoppelt sich die Lust, sich zu distinguieren. Aber, je stärker man sich voneinander abheben will, wird alles gleich und man unterscheidet sich nicht mehr. Aus alledem erwachsen für alle nur Unannehmlichkeiten. Wenn in Republiken die Reichtümer gleich  verteilt seien, gebe es dort keinen Luxus, die Republik sei perfekt. In dem Maße, wie sich dort der Luxus etabliere, wenn man sich den privaten Interessen des einzelnen zu (nicht der Gemeinschaft). Eine Seele, die durch den Luxus korrumpiert sei, habe andere Wünsche, werde zum Feind der Gesetze, die sie einschränken. Nach einem Absatz über die Aristokratie wendet sich M. der Monarchie zu. So wie schon durch die Verfassung der Monarchien die Reichtümer hier ungleich verteilt sind, gibt es dort Luxus. Wenn die Reichen nicht viel ausgeben, sterben die Armen Hungers. Es muß daher sein, daß die Reichen in Proportion zur Ungleichheit der Vermögen Ausgaben tätigen, und so steigt der Luxus dementsprechend wie dargestellt an. Also, damit der monarchische Staat sich erhalten kann, muß der Luxus anwachsen, vom Arbeiter zum Handwerker, zum Adel, den Beamten und den Fürsten. Ohne das wären sie alle verloren.

Am Ende kommt Montesquieu zu dem Ergebnis, daß Republiken durch den Luxus, Monarchien durch die Armut untergehen. Soweit M. zum Luxus, sein Werk von 1748 steht  inhaltlich nahe bei, zeitlich deutlich vor anderen Werken , z B JJ Rousseaus politischen Schriften zu diesem Thema.

Wenn man M.s Gedanken über den Einfluß von Klima, Sitten ,Kultur nicht auf viele Menschen, sondern auf einzelne bezieht, so liegt der Eindruck nahe, daß äußere Umstände auch Einfluß auf Ansichten und Verhalten der Menschen haben können.

Es muß nicht alles rational entwickelt sein. Voltaire, sozialisiert in einer Monarchie, in  kath. Sinnenfreude bei guter Erziehung und Bildung, als Großstadtmensch mit zur Persönlichkeit gehörenden Umgangsformen  ausgestattet, hat Freude am guten Leben, auch dem Luxus, Kunst und Kultur und der Geselligkeit.

Rousseau, sozialisiert in der Republik Genf, in protest. strenger Lebensform, einfacher Bürger, keine Eliteschulen, frühes Verlassen von Elternhaus und  provinzieller Heimatstadt, eher wenig geübt in den Umgangsformen, spricht sich gegen Kunst, Kultur, Luxus und die Gesellschaft der Menschen aus, ein Zivilisationsgegner. Was  daraus zu schließen sein könnte (ganz ohne die bei Aufklärungsfreunden verpönten Klischees oder Vorurteile) mag jeder für sich entscheiden, eingedenk der Tatsache, daß zu jener Zeit Gewürze, Kaffee, Schokolade und Rohrzucker Luxus waren und doch zur Verfeinerung der guten Lebensart erheblich beitrugen. Die aktuellen Probleme mit Nachhaltigkeit und Klimaveränderung sind m.E. nicht auf Luxus  als dem Besonderen, das man in Maßen genießt, sondern in einer Form von undurchdachter Genußsucht  ohne Maß und Beschränkung zurückzuführen, die durch ein ständiges Überangebot in den reichen Ländern , produziert  in und zu Lasten der ärmeren Länder, ausufert. Luxus i.S. Montesquieus: Annehmlichkeiten, zugeeignet durch die Arbeit anderer - jetzt nur im Weltmaßstab........?

 

 

Vielen Dank für diesen sehr interessanten Blick auf Montesquieu, der anscheinend von einer allgemeinen Besteuerung nicht viel gehalten hat. Wenn bei gleichverteiltem Reichtum der Staat allen Bürgern so viel entzieht, dass man davon nicht nur Strassen, Krankenhäuser, sondern auch Theater, Museen, meinetwegen auch Fussballstadien bauen kann, Kinderspielplätze, Bibliotheken usw. usf. dürfte es an Luxus nicht fehlen. Wenn dann noch das Volk als Souverän über die Verwendung der Gelder frei und gut informiert mitentscheiden könnte, wäre die Demokratie (fast) perfekt.

Wahrscheinlich ist, dass Luxus bei Voltaire über das weit hinausgeht, was bei Montesquieu darunter verstanden wird. Aus der Sicht Voltaires hatte der Luxus in einem hedonistischen Leben einen bedeutenden Platz: Luxus macht das Leben menschlich.

Die Frage, ob (unnütz, masslos - wer befindet, was das ist?) Konsum schädlich sei, scheint mir nachrangig gegenüber dem Thema, wer wie über die Verwendung der in einem Staat zur Verfügung stehenden Gelder entscheidet.  Mir erscheint es vermessen, wenn mir die Armut Afrikas vorgehalten wird, um mir, wenn ich ein Konzert besuche, ein schlechtes Gewissen zu induzieren. Ich habe nie über die Einflussnahme auf die politischen Verhältnisse, die durch unsere sog. Entwicklungshilfe geübt wird, auch nur ansatzweise mitentscheiden dürfen. Man lese zu Afrika und den ďortigen nachkolonialen Verhältnissen unbedingt von Ahmadou Kourouma (er wird der afrikanische Voltaire genannt): "Die Nächte des großen Jägers", ein Buch in der Nachfolge Candides.

 

Nun ist es ein wenig kompliziert geworden. Die Ansicht, das Volk müsse in der Demokratie über die Verwendung der Mittel entscheiden, läßt eher den Rousseauisten erkennen, auch auf die Jetztzeit bezogen(s. Schweiz). Der Hinweis auf den Luxus als Mittel der hedonistischen Lebensführung hingegen zeigt den Voltairianer (Gassendi und Lukrez und somit Epikur) waren Voltaire

neben den in jungen Jahren genossenen Freuden, die im Temple üblich waren, nicht fremd.Zu Epikurs Hedonismus zählte aber,

gegen alle Verleumdungen aus kirchlichem Bereich, das Maßhalten- auch zur Haltung Voltaires. , Wer also spricht hier aus dem Argument, das gegen die Maßlosigkeit gerichtet ist - und, letztlich, ein Konzertbesuch ist doch noch kein Luxus. Was zeigt, das die Beurteilung, was Luxus ist, eine höchst subjektive Sache ist und auch im 18. Jahrhundert schon war.

Um nun vollends in die Gegenwart zu kommen, knüpfe ich an H.M.Enzensberger an, der zum übersetzten Artikel LUXUS aus der Encyclopädie ausführt, heute müsse man Zeit als Luxus betrachten oder genauer,Zeitsouveränität zu haben.

Dem stimme ich zu, denke aber, dieses Luxusgut stehe sowohl sehr Vermögenden, aber auch auf jeglichen anderen Besitz verzichtenden Unvermögenden zur Verfügung. Aber nicht nur die beiden Enden der Skala verfügen über Luxus, sondern auch alle sich auf Zwischenstufen befindenden Menschen, in dem Maße, wie sie dafür auf andere Güter zu verzichten bereit sind. Eins bleibt: nur der Vermögende erlangt Luxus ohne Verzicht, ansonsten muß verzichtet werden.

Begrenzt ist der Genuß von Luxus durch die Lebenszeit und  das Problem, immer nur eine Sache zur jeweiligen Zeit genießen zu können.